Mein Opa Willy und der Flohzirkus

Mein Opa Willy konnte auf den Händen durch die Backstube laufen!

Mein Opa Willy konnte zaubern!

Ich war immer ganz aufgeregt, wenn er mit mir zu dem Schrank ging, wo ER aufbewahrt wurde. „Bitte! Ich möchte es nochmal sehen!“.

Dann holte er eine runde Schachtel aus dem Schrank im Flur, machte sie auf, schlug einen Ring auf seinen Handrücken…und Zack! ein Zylinder sprang auf! Ja, ja…es war ein chapeau claque! Aber für mich war es Zauberei und die Dramaturgie meines Großvaters die perfekte Bühne.

Mein Opa Willy war Bäcker. Mein Kopf und mein Herz sind voller Kindheitserinnerungen an die Backstube, die großen Kupferkessel, die Gesellen, die so viel Blödsinn mit mir gemacht haben und: Tadadaaaaa: DIE Mehlrutsche! 2 abenteuerliche Kurven, die den Mehlboden mit der Backstube verbunden haben und die ich, nicht viel größer und schwerer als ein Mehlsack, rutschen durfte so oft ich wollte! Der ganz besondere Duft ist noch immer sooo präsent! Klar, Erlebnisse, die wir mit Gefühlen verbinden, erinnern wir besonders gut.

Aber mein Opa Willy konnte nicht nur zaubern und auf den Händen laufen, er konnte auch meine Superkräfte locken.  Er fuhr damals  mit seinem kleinen Citroen, 2-Sitzer mit Pistolenschaltung, vollbepackt mit gut duftenden Brötchen, Brot und Kuchen auf Tour. Kuddel, auf diesen Namen „hörte“ der kleine Franzose, hatte keine Gurte. Das gab es damals nicht. Hinten sitzen auch nicht, da war ja das Brot. So kletterte ich also auf den Beifahrersitz wenn ich mitfahren durfte und war die Königin! Die Bäckerei meines Großvaters lag am Westerberg. Ok, ich spreche von Osnabrück, der Westerberg ist also eher ein kleiner Hügel, aber immerhin ging es steil bergauf.

Ab und zu nun, hat doch der Kuddel diese Steigung partout nicht geschafft! Langsam …..ganz langsam rollte er dann wieder rückwärts. Damals gab es wohl noch nicht so viel Verkehr.

„Du musst schieben! Schiiiieeeeben!“ forderte mein Opa mich auf…und ich?! ICH GAB ALLES!! Stand am Armaturenbrett und schob und drückte was das Zeug hält! Und ob ihr es glaubt oder nicht, ich hatte die Kraft, das Auto den Berg hochzuschieben! SO!

Na gut, heute kenne ich die Physik etwas besser und könnte jetzt im Nachhinein sagen, mein Opa hat mich kräftig auf den Arm genommen, aber ich bin ihm Dankbar! Von Herzen! Für das Selbstvertrauen und den Spaß den ich durch und mit ihm hatte!

Warum schreibe ich das?! Ich habe eine Erfahrung davon, was es heißt, Menschen etwas zuzutrauen!! Sie können Autos den Berg hochschieben oder Berge versetzen! Doch wie oft erlebe ich Menschen, die andere klein machen, die sagen, die will das nicht, die kann das nicht, die ist stur usw…..oder Eltern, die ihre Kinder nicht bestärken. Oder einfach uns, die wir uns ständig im Geiste aufzählen, was wir eben NICHT können…

Wenn ich, wie letzte Woche in München, mit einem Team auf Potenzialschatzsuche gehe, arbeite ich gern mit Metaphern, Geschichten. Bildern eben! Das funktioniert gut. Bilder sind die schnellste ART der Kommunikation, sie werden schnell verstanden und ein Gefühl gibt’s oft auch noch dazu.

Letzte Woche also, habe ich unter anderem erzählt, wie Flöhe für den Flohzirkus dressiert wurden. Früher, als es noch Menschen gab, die mit einem ganzen Flohzirkus im Koffer umherzogen. Flöhe springen hoch! 50 cm so sagt man…Eigentlich! Denn um sie am weghüpfen zu hindern beschränkt man die Höhe des Sprungs durch einen Deckel auf dem Glas. Da hüpfen und hüpfen sie nun also gegen und irgendwann…na???!!! Ja, leider richtig! Wenn der Deckel ab ist, hüpfen sie nicht weg! Sie haben einfach vergessen, dass sie es können. Kleines Gehirn, kurzes Gedächtnis vielleicht?! Nein, sicher nicht, denn ich mache immer wieder die Erfahrung, dass wir Menschen uns auch an die Deckel auf dem Glas gewöhnt haben.

Darum lasst uns Deckel  lüften, über den Rand malen, groß denken und gemeinsam mit anderen weiter hoch hüpfen! Vielleicht hüpfen wir hier zusammen?

Im Frühjahr möchten wir übrigens immer besonders gern und besonders hoch hüpfen 🙂

also allen ein fröhliches Hüpfen, Malen und Rutschen

Eure Birgit, inspiriert!

und danke Opa!!!

 

5 thoughts on “Mein Opa Willy und der Flohzirkus

  1. thomas - 7. April 2015

    wunderbarer Beitrag!

  2. Nadja Petranovskaja - 7. April 2015

    SO SO SO SO SEHR großartig!!! 🙂

  3. Ingrid - 20. April 2015

    eine wunderbare Vorstellung, über den Rand hinaus zu malen. war ich doch seit eh und je stolz darauf, alles fein säuberlich zu erfüllen.
    Auf jeden Fall ein interessanter Ansatz!I

    1. Birgit - 21. April 2015

      liebe Ingrid, herzlichen Dank und viel Freude beim fehlerfreundlichen Üben eines neuen Umgangs mit Begrenzungen. Vielleicht mögen Sie ja berichten.

  4. […] die Anschaulichmachung ein Beispiel aus dem Blog von Birgit Dierker (die sehr gut darin ist, den Glauben an den Füllhorn unserer Fähigkeiten zu […]

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